23.04.2024

Chris Yorke zur Lagen-Diskussion und über Naturweine

Der ÖWM-Chef nimmt Stellung zu den emotional diskutierten Themen Lagenklassifikation und Qualitätswein-Status für Alternativweine.

Chris Yorke
Chris Yorke © Anna Stöcher

Im Vorjahr wurde die gesetzliche Basis für eine offizielle Lagenklassifikation in Österreich geschaffen. Vorgesehen sind die Kategorien „Erste Lage“ und „Große Lage“. Die Klassifizierung erfolgt anhand eines streng definierten Kriterienkatalogs und unabhängig von Vereinszugehörigkeiten und ist eine freiwillige Option, die in den Weinbaugebieten entschieden wird. Das Thema wird aktuell heiß diskutiert, da sich einige Protagonist*innen durch aktive Lagenpolitik eine gute Ausgangsposition geschaffen haben, während andere sich übergangen fühlen. Eine Plattform macht gegen die Lagenklassifikation recht einseitig mobil, Vinaria nannte es gar einen Angriff aus dem Untergrund. Das Weinkomitee Burgenland hat sich gegen die Lagenklassifikation ausgesprochen, die Protagonist*innen wollen eine eigene Burgenlandpyramide bauen.

Wir haben Chris Yorke, den Geschäftsführer der Österreichischen Wein-Marketing GmbH (ÖWM), gefragt, wie er als wichtigster Repräsentant des österreichischen Weins im Ausland die aktuelle Diskussion sieht und wie er weitere aktuelle Themen wahrnimmt.

Chris Yorke
Chris Yorke © Anna Stöcher

Gault&Millau: Alle Weinbauregionen haben nun ein DAC-System. Von nur Grünem Veltliner bis hin zu großer Rebsortenvielfalt sind die Regelungen sehr unterschiedlich. Wofür steht DAC ideell und was kommt davon bei Konsument*innen im In- und Ausland an?

Chris Yorke: Das war ein Prozess von 20 Jahren, da haben sich die Ideen stark weiterentwickelt. Jedes Gebiet, alle Personen sind anders. ALLES ist anders. Das spiegelt auch der DAC wider: Das Weinviertel hat zum Beispiel ganz andere Voraussetzungen als die Steiermark, daher haben sich auch die DAC-Regelungen dort unterschiedlich entwickelt. Konsumenten schauen vor allem auf die Banderole, die gibt Orientierung und Sicherheit. Und wenn „DAC“ dabeisteht, handelt es sich um einen besonders gebietstypischen Wein.

International gesehen ist die DAC-Kennzeichnung vor allem bei höheren Preisklassen wichtiger. DAC spiegelt die Typizität des Gebiets wider, dieses Konzept ist verstanden.

Die Pannobile-Winzer*innen sehen im Blaufränkisch die beste Antwort auf den Klimawandel. Verortet sind sie im Neusiedlersee DAC, das sich ganz dem Zweigelt verschrieben hat. Wie sollten die Winzer*innen und Funktionär*innen auf die Diskrepanz reagieren?

Ich sage immer, dass wir jetzt in den letzten 20 Jahren mit der Entwicklung vom DAC in allen Gebieten das Erdgeschoss eines Hauses gebaut haben. Jetzt wollen wir einen ersten Stock mit der Lagenklassifikation draufbauen. Das Fundament muss passen, erst dann kann man darauf aufbauen. Man muss zuerst mit der jeweiligen DAC-Regelung zufrieden sein, dann kann man sich dem Thema der Lagenklassifikation widmen.

Es gibt in verschiedenen Gebieten intensive Gespräche, ob bzw. wie sich das DAC-System zukunftsfit weiterentwickeln kann. Diese Gespräche sind wichtig, und man muss sich die Zeit nehmen, alle Seiten zu betrachten.

Die Lagenklassifikation wird gerade sehr emotional diskutiert. Welches Ergebnis wünscht man sich als ÖWM-Chef?

In Österreich geht man einen sehr langen Weg zur Konsensbildung. Meinungen werden sehr direkt ausgesprochen, aber man findet am Ende immer einen Konsens, es dauert nur lange. Wir haben 20 Jahre für DAC gebraucht, ich schätze, dass wir auch 20 Jahre brauchen, bis sich alle Gebiete entschieden haben, ob bzw. wie sie Erste und Große Lagen implementieren wollen. Momentan ist es ein wenig so wie bei einem Tennis-Match, das geht hin und her, aber ich sehe das als sehr gesunden Prozess.

Es gibt kein Weinland, das so organisiert ist, wie es Österreich jetzt gemacht hat. Man redet immer vom Beispiel Frankreich, aber da ist jede Region anders, nehmen wir nur Burgund und Bordeaux, das ist völlig unterschiedlich. Kein einziges Land der Welt hat eine einheitliche gesetzliche Regelung, das ist schon sehr viel.

JEDE Lage kann klassifiziert werden, die Regeln sind für alle gleich. Man muss in keinem Verein sein. Österreich macht das auf einem sehr professionellen Weg, es ist ganz klar festgelegt, was man tun muss, um eine Lage zu klassifizieren.

Die Lagenklassifikation anschaulich erklärt

Chris Yorke
Chris Yorke © Anna Stöcher

Aktuell wirken die diversen Auszeichnungen auf den Etiketten für Endkonsument*innen verwirrend. Muss das System vereinfacht werden?

Das Ziel der gesetzlichen Regelung der Lagenklassifikation ist es, das System und die Begriffe zu vereinheitlichen.

Eine Frage zu Natur- bzw. Low-Intervention-Weinen… Wie soll ich es eigentlich nennen?

Wir wissen, wovon wir reden. (lacht)

Diese Weine aus Österreich werden international gefeiert, national aber immer noch verhalten nachgefragt. Wie kann man diese Weine hierzulande populärer machen?

Über 20 Prozent unseres Exportwerts fallen in diese Kategorie! Das ist viel mehr als der Anteil der tatsächlichen Produktion. Wieso werden Alternativweine im Ausland so viel mehr nachgefragt? Wir werden als sehr umweltbewusst gesehen, wir haben den Ruf, dass wir sehr gute Naturweine machen. Ich habe dazu eine eigene Theorie: 95 Prozent unserer Weingüter sind Familienbetriebe. Und wir haben fantastische Weinbauschulen. Da kommen junge Winzer zusammen und tauschen sich aus. Dann kehren sie in ihre Betriebe zurück und dürfen einmal Versuche anstellen. “Da hast Du zwei Hektar, dann spielst Du Dich einmal”. Gerne wird dann mit Naturweinen experimentiert, aber die Eltern sind oft skeptisch. Das führt zu einer gegenseitigen Befruchtung, das hat einerseits Einfluss auf die klassischen Weine, andererseits machen wir die besten Alternativweine der Welt. Sie sind sehr gut ausgebaut und fern von Garagen-Versuchen.

Aber warum sind sie in Österreich nicht gleichermaßen beliebt? Jedes Weinland hat einen anderen Gaumen. Nehmen wir die USA, seit der Prohibition wird da sehr alkoholstark getrunken, Hochprozentiges wie Whisky in kleinen Gläsern. Das kräftige Geschmacksbild hat sich bis heute gehalten, Amerikaner trinken kräftigere Weine. Österreich hingegen hat ein eher traditionelles Geschmacksbild, Alternativweine haben hier noch nicht so viel Platz gefunden.

Wie weit ist man bei zulässigen Bezeichnungen für Naturweine? Wird es zum Begriff “Landwein” in diesem Zusammenhang Alternativen geben?

Das ist ein Thema, das bei uns forciert wird, denn ich habe folgendes Problem: Fast ein Viertel des Exportwerts wird von Weinen generiert, die keine rot-weiß-rote Banderole tragen. (Anm.: Wenn ein Naturwein keine Prüfnummer bekommt, weil er als nicht sortentypisch oder gar als fehlerhaft erachtet wird, gilt er nicht als Qualitätswein, sondern als Landwein. Nur Qualitätsweine mit Prüfnummer dürfen die rot-weiß-rote Banderole tragen). Die Banderole ist das beste Weinmarketing-Instrument in der Welt. Ich möchte die Möglichkeit geben, dass Weine mit alternativer Stilistik auch als Qualitätsweine anerkannt werden, es soll aber keine Verpflichtung sein. Es muss aber eine nachvollziehbare Bezeichnung dafür geben. Wenn ich einen Welschriesling-Süßwein nehme, da weiß ich auch, dass er nicht wie normaler Welschriesling schmeckt, und ich weiß trotzdem, was ich bekomme, weil zB „Trockenbeerenauslese“ auf dem Etikett steht. Dazu wurde im Nationalen Weinkomitee eine Arbeitsgruppe gegründet. Wir arbeiten an einer Lösung.

Wein ist für junge Menschen immer weniger Thema, gibt es Überlegungen seitens der ÖWM hier entgegenzusteuern?

Junge Menschen trinken weniger, aber hochwertiger. Das ist eine Chance, die wir ergreifen wollen. Alternativweine z. B. kosten mehr, werden aber überwiegend von jungen Menschen konsumiert. Sie wollen bei allen Weinen wissen, wie der Wein produziert wurde, sie wollen genau wissen, was sie zu sich nehmen. Wir haben eine sehr nachhaltige Weinproduktion, wir haben einen sehr hohen Bio-Anteil und eine der höchsten bio-dynamischen Raten der Welt. Um das zu kommunizieren, nützen wir vermehrt Social Media und organisieren Events für junge Leute.

Die Wein-Preise ziehen in Österreich stark an. Wird Qualitätswein aus Österreich ein Luxus-Produkt?

Von 2021 bis 2023 ist der Durchschnittspreis von heimischem Wein um 3,2 Prozent gestiegen, die Inflation betrug in diesem Zeitraum hingegen 16,5 Prozent. Das Problem ist eigentlich, dass unsere Weinpreise nicht so gestiegen sind. Die eigenen Kosten der Weingüter sind stark gestiegen, die Weinpreise nicht, das ist eine schwierige Position.

Interview geführt von Bernhard Degen

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