Die Gastronomika in San Sebastián zählt zu den wichtigsten
Fach-Kongressen der Welt. Bereits zum 20. Mal trafen sich Spitzenköche aus
aller Welt im Baskenland.
Die besten Köche des Baskenlands, einige Küchenchefs aus dem
restlichen Spanien sowie eine Handvoll an internationalen Kochgrößen erklärten
ihre jüngsten Kreationen und zeigten eindrucksvoll auf, wieso Spanien nach wie
vor zu den spannendsten Gastronomie-Nationen der Welt zählt. Die kulinarische
Hauptstadt des Landes ist jedoch weder Madrid noch Barcelona, sondern liegt im
Golf von Biskaya. Im verträumten Badeort San Sebastián befinden sich mit dem
Akelare, Arzak und Berasategui gleich drei Restaurants mit drei Sternen – mehr
als in jeder anderen spanischen Stadt.
Mit Juan-Marí Arzak ist dort auch der längst dienende
3-Sterne Koch Spaniens zu Hause. Der Wegbereiter des spanischen
Restaurant-Wunders war auch entscheidend an der Etablierung des Fachkongresses
Gastronomika im Jahr 1999 beteiligt. „Damals war alles viel intimer und weniger
professionell. Aber die Idee ist gleichgeblieben. Wenn wir uns als Köche weiterentwickeln,
müssen wir zusammenarbeiten und unsere Ideen austauschen“, erklärte Arzak beim
Jubiläumskongress.

Technik ist kein Selbstzweck
Noch vor ein paar Jahren hatte man in spanischen
Spitzenrestaurants manchmal den Eindruck, dass moderne Kochtechniken wie das
Schockfrieren mit Nitrogen oder das Verändern von Texturen lediglich dazu
genutzt wurden, um ein neugieriges Publikum in Staunen zu versetzen. Deshalb
ist der Begriff „Molekularküche“ für viele Köche zum Schimpfwort geworden. Doch
Technik ist – für sich betrachtet – weder gut noch schlecht. Richtig eingesetzt
kann sie die Küche nach wie vor weiterentwickeln. Wenn es lediglich ums „Dekonstruieren“
– also das Auseinandernehmen und neu Zusammensetzen von Produkten – ginge,
wären diese Techniken in der Tat verzichtbar. Wenn jedoch Köche wie Eduard
Xatruch und Oriol Castro vom Restaurant Disfrutar in Barcelona vorzeigen, wie
sie Teige ohne Mehl erfinden, hat das durchaus Relevanz. Auch der
spanisch-stämmige US-Koch Jose Andres hat – ganz ohne Hightech – gezeigt, dass
man aus Kartoffeln ein köstliches Croissant zaubern kann, das auch Menschen mit
Glutenallergie wohl bekommt. Und selbst das Schockfrosten mit Nitrogen kann
Sinn machen, wie Dani Garcia aus Marbella mit seinem Gazpacho zeigte.

Jose Andres
Spannende Geschichten erzählen
„Ohne Kontext bleibt ein Rezept tote Materie. Erst wenn es
für den Esser anfängt, Sinn zu machen, wird es spannend. Wir lehnen uns
natürlich relativ weit aus dem Fenster, weil wir besonders spannende
Geschichten erzählen wollen“, erklärte Andoni Luis Adoriz auf der Gastronomika,
der mit seinem berühmten 2-Sterne Restaurant Mugaritz heuer ebenfalls sein 20-jähriges
Jubiläum feiert. Er zeigte eine kalt gekochte Zwiebelsuppe in aromatischer
Reinheit – also praktisch ungewürzt. Im Gegensatz zu größeren Kongressen hat
das Publikum der Gastronomika die Möglichkeit, viele der auf der Bühne
zubereiteten Gerichte auch zu verkosten.
Virgilio Martinez
Auf den Bergen und im Dschungel
Ein Highlight des diesjährigen Kongresses war die
Präsentation von Virgilio Martinez aus Peru. In seinem Restaurant Central in
Lima (aktuell Rang 6 auf der 50 Best-Liste) lädt er seine Gäste zu einem
Streifzug durch die unterschiedlichen Öko-Systeme Perus ein, wobei er streng
darauf achtet, dass jeder Gang ausschließlich aus Produkten einer bestimmten
Region stammt, sodass man Ökosysteme verkosten kann. Nach einem zweiten
Restaurant samt Forschungsinstitut in Anden plant Martinez gerade sein drittes
Restaurant, das sich im Dschungel des Amazonas liegen und nur mit dem Boot zu
erreichen sein wird.
Ebenfalls von weit her angereist waren Jose Andres (USA),
Rodolfo Guzman (Chile), Germán Martitegui (Argentinien), Paul Pairet (China) und Yoshihiro Narisawa (Japan).
Die Präsentationen auf der Gastronomika sind eine gelungene
Mischung aus Kochdemonstrationen und Schilderungen von Restaurant-Konzepten.
Besonders beeindruckend war das soziale Engagement des spanisch stämmigen Jose
Andres, der vor acht Jahren die Non-Profit-Organisation World Central Kitchen
ins Leben rief, mit der er vergangenes Jahr den Hurricane-Opfern auf Puerto
Rico über drei Millionen Mahlzeiten zubereitete.
Was bei den Präsentationen generell auffiel, war das hohe
Niveau der Kurzfilme, mit denen sich die Restaurants präsentieren. Dies ist ein
Bereich, bei dem unsere Top-Betriebe noch Aufholbedarf haben.
Kartoffelcroissant von Jose Andres
Text: Wolfgang Schedelberger